Koch- und andere Bücher, Rezensionen

365 Rezepte aus der französischen Landküche // Stéphane Reynaud

17. Februar 2016

Über kaum ein Land pflegt Deutschland so viele Ansichten wie über Frankreich. Obwohl die Franzosen keine Autos bauen können, bewundert man das Land aufgrund der Hingabe, mit der sich die Franzosen der Kochkultur, dem Wein und frivolen Sexualpraktiken widmen, als das Paradies der Lebenskunst, so dass bekanntlich selbst Gott in Frankreich wohnt. Insbesondere in der Provinz vermutet man das idyllische ursprüngliche Frankreich und eine Küche, die noch nicht mit der Haute Cuisene einen Komplexitätsgrad erreicht hat, der nur von speziellen Spezialspezialisten gemeistert werden kann.

Freilich ist in dem französischen Originaltitel „365 bonnes raisons de passer à table” (365 gute Gründe, sich an den Tisch zu setzen)“ von der Landküche keine Rede. So findet der Leser in dem Kochbuch zwar die erwarteten Schneckenrezepte, Froschschenkel und Boeuf borguignon, aber auch Hähnchen-Kokos-Spieße, diverse Spaghetti-Gerichte, gar Frühlingsröllchen und Norwegisches Omelett. Schwerpunkt ist hier die Küche für jeden Tag, meist einen Tick raffinierter als ihr deutsches Pendant und erheblich fischlastiger. Kein Wunder, Frankreichs Küstenlinie beträgt 5.000 Kilometer und ist zum großen Teil ein Traum.

Die Rezepte sind, obwohl immer für sechs Personen gedacht, durchweg alltagstauglich und bewegen sich meist auf einem mittleren Schwierigkeitsgrad. Da sie jedoch sehr kurz gehalten sind setzt ihre Umsetzung etwas Grundwissen voraus. Das Register nach Zutaten und das Lesebändchen erhöhen die Praxistauglichkeit. Das in den meisten Kochbüchern durch die Aneinanderreihung von Fotos und Rezepten doch etwas dröge Layout wird hier gelungen durch Anekdoten, Illustrationen und blöde Sprüche (“Chiocree mit Schinken bringt das Schwein zum Hinken”) aufgelockert. So lädt das Buch zum Schmökern ein und nimmt auch dem unsicheren Anfänger die Angst vor dem Scheitern auf dem dornigen Weg zum Meisterkoch.

Ein großes Plus ist die Orientierung der Zutaten an dem Rhythmus der Jahreszeiten. Gerade in einer Epoche, in der die meisten Menschen 90 % ihres Lebens in klimatisierten Räumen verbringen und Supermärkte und Internet das ganze Jahr über Lebensmittel aus aller Welt anbieten, ist diese freiwillige Beschränkung ein Luxus, der einem die manchmal fremdgewordene Welt außerhalb des Fensters näherbringt. Die Mengenangaben in den Rezepten sind kritisch zu hinterfragen, aber das trifft auf viele Kochbücher zu und gute Bücher befreien den Leser nicht vom kritischen Selberdenken. Hinzu kommt, dass das Layout so lässig aufgebaut ist, dass handschriftliche Notizen, Fettspritzer und Bluttropfen dem Charme keinen Abbruch tun.

Mein Fazit? Empfehlenswert!

Nachgekochtes Rezept:

17. Juni: Pissaladière
Pissaladière klingt in meinen westfälischen Ohren auch schon wieder wie eine französische Ferkelei: „Oh Chérie, Dein süßes Pissaladière macht misch ganz karusselig in meine Kopfe.“ Es handelt sich dann aber um eine Art Zwiebelkuchen aus Nizza und kein Schweinszeugs. Im Gegensatz zu dem traditionellen Hefeteig besteht der Boden hier aus Blätterteig. Es ist dann auch nicht wie sein elsässisches Pendant mit Schinkenspeck, sondern Oliven (die in der Mengenangabe doppelt auftauchen) und Sardellenfilets belegt. Nach der ersten Zubereitung laut Rezept nehmen wir ein Drittel weniger Zwiebeln (besser für l’amour) und fügen noch etwas mehr Olivenöl oder schwarze Olivenpaste hinzu, da der Belag ansonsten zu trocken wird. Mehr Oliven gehen auch. Wie es schmeckt? Saulecker!

Rezension:Jens Werkmeister
Seiten:560
Titel:365 Rezepte aus der französischen Landküche
Verlag:Christian, Auflage: 1
ISBN:978-3862440252
Preis:28,27

You Might Also Like

No Comments

Kommentar schreiben

Durch die Benutzung der Kommentarfunktion erlaube ich die Speicherung der von mir eingegebenen Daten. Mehr zum Thema finden Sie in der Datenschutzerklärung.