Nose To Tail

From Nose to Tail

1. März 2017
Hirschherz

Ich weiß nicht, wie es in anderen Revieren aussieht, aber unsere Rehe könnten kurz vor den Weihnachtsfeiertagen zwei Meter lang sein und sechs Keulen haben um die Nachfrage nach Rehrücken und -keulen zu befriedigen. Was aber ist mit dem Rest vom Tier? In vielen Jägerhaushalten besteht der Inhalt der Tiefkühltruhe irgendwann, nur noch aus Trägern und Dünungen oder aber der vierbeinige Jagdbegleiter feiert vorzeitig Weihnachten und bekommt alles was sich nicht verkaufen lässt.

Seitdem Fergus Henderson, der Gründer des legendären „St. John Restaurant“ in London, sich bereits 1999 in seinem Buch „Nose to tail“ (auf deutsch vielleicht am besten mit: „mit Haut und Haar“ übersetzt) über Ethik, Ökologie und Nachhaltigkeit unserer Essgewohnheiten Gedanken machte, begann ein Umdenken. Dabei steht der Respekt vor dem Tier und die kulinarische Würdigung des ganzen Tieres im Fokus und nicht nur die Verwertung der Edelteile wie Keulen und Filets. Und wenn Henderson vom ganzen Tier spricht, dann meint er auch wirklich das ganze Tier: Knochen, Milz, Herz, Leber, Nieren und Haxen bis hin zu Hirn und Zunge. Spätestens bei Hirn und Zunge ist bei den allermeisten Lesern aber dann Schluss mit lustig und das anfängliche Interesse macht einem skeptischen „das kann man essen?“ und: „…schmeckt doch bestimmt furchtbar“ Platz. Diese Skeptik rührt wohl daher, dass unsereins mit den vielen unterschiedlichen, ungewohnten Texturen und Geschmacksdimensionen nicht mehr umgehen kann und vieles ablehnt, was über das als Genuss gelernte Filet- oder Bratenstück hinausgeht.

Nose to tail von Fergus Henderson

Das Buch, das Anfangs nur in Großbritannien erhältlich und schnell vergriffen war, erlangte schnell Kultstatus unter den Profiköchen und gewann viele Preise. Der ‘Observer’ nahm es unter die „50 wichtigsten Kochbücher aller Zeiten“ auf. Dabei geht es darin vordergründig weniger um Rezepte, als um Geschichten, die sich um die Zubereitung von Speisen ranken, um Leidenschaft für gutes Essen und Respekt vor den Nahrungsmitteln, die wir verarbeiten. Auch wenn man manche Gerichte nicht nachkochen möchte, oder aus Naturschutz-Gründen darf, wie z.B. das geschmorte Eichhörnchen, so regen die Rezepte/Geschichten aber zum Nachdenken an. Darüber, wie man selbst nachhaltiger wirtschaften kann oder die eigenen Essgewohnheiten.

…der Respekt vor einem Tier gebietet, es von Kopf bis Fuß, zu verspeisen.

Das Buch ist weniger ein konventionelles Kochbuch als eine amüsante Inspirationsquelle und kleine Küchenphilosophie angereichert mit typisch englischem Humor. Allen die leicht schräge Kochbücher jenseits des „man nehme“ Duktus lieben sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt!

Eine etwas ausfühlichere Rezension vom Jens findet Ihr unter Krautjunker.com

Früher konnten es sich die Jäger und angestellten Berufsjäger schlichtweg nicht leisten, Teile des erbeuteten Wildbrets an den Hund zu verfüttern. Das große und kleine Jägerrecht waren damals überlebensnotwendige, in die Ernährung der Jägerfamilie fest eingeplante Lebensmittel. Dass sich die Zubereitung und Genuss dieser vermeintlich unattraktiven Wildbrettteile nicht ausschließen zeigen die folgenden Rezepte:

Das kleine Jägerrecht
Calvados- Leber vom Reh
Hirsch-Rollbraten
Geschmorte Überläuferbäckchen

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1 Comment

  • Reply Dr. Herbert Wessel 30. Juni 2022 at 11:42

    Da gibt es noch dieses wunderbare italienisch inspirierte Kochbuch „Quinto Quartro“ von Cornelia Schinharl und Beat Koelliker zum gleichen Thema.

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